Interview mit Ulrich Michael

In gut einem Monat startet die neue Saison des Kultur-Freundeskreises. Über die kulturellen Angebote des Vereins, die Gewinnung jüngerer Zuhörer und Ideen für Neues informierte der Vorstand in einem Gespräch.

Der Vorstand des Kultur-Freundeskreises (v.l.): Jörg Siegel, Heiderich Nierfeld, Ulrich Michael, Angelika Behrenberg und Tobias Köhler.


„Bestehende Konzertgemeinde will gepflegt werden“

Westfälische Nachrichten vom 24.08.2019

Telgte. In gut einem Monat startet die neue Saison des Kultur-Freundeskreises. Über die kulturellen Angebote des Vereins, die Gewinnung jüngerer Zuhörer sowie Ideen für Neues sprach Andreas Große Hüttmann mit dem Vorstand des Kultur-Freundeskreises.

 

Herr Michael, der Kultur-Freundeskreis ist seit vielen Jahren eine feste Größe im vielfältigen kulturellen Leben der Stadt. Stimmt Sie das zufrieden?

Ulrich Michael: Ja, und es ist auch eine großartige Motivation für unsere Vorstandsarbeit. Kernbereich unseres kulturellen Angebots ist die klassische Kammerkonzertreihe. Sie ist seit 1986 eine beständige und gewichtige Ergänzung im Gesamtspektrum der Angebote im Bürgerhaus, und nicht zuletzt auch ein ehrenamtlicher Beitrag zu den attraktiven Standortfaktoren Telgtes und zur Nutzung unseres attraktiven Bürgerhauses mit seiner glücklicherweise hervorragenden Akustik. Eine bestehende Konzertgemeinde über so viele Jahre zu pflegen und zukunftsfest zu machen, erfordert allerdings einen ständigen dynamischen Prozess. Dieser ist ein besonderes Anliegen aller Vorstandsmitglieder, und wir bekommen auch Anregungen und Unterstützung aus unserer Konzertgemeinde dazu.

 

Optimierungspotenzial gibt es (fast) immer. In welchen Bereichen sehen Sie Möglichkeiten, Angebote zu verändern, auszubauen oder neue zu initiieren?

Michael: Ein Konzertabend ist besonders gelungen, wenn sowohl das Publikum begeistert und erfüllt nach Hause geht als auch das Konzertensemble gespürt hat, dass seine engagierte musikalische Botschaft mit Interesse aufgenommen und mit Sympathie erwidert wurde. Konzerterlebnisse lassen sich optimierend steuern sowohl durch Rücksichtnahme auf Wünsche des Publikums als auch durch behutsames Wecken und Fördern dessen Bereitschaft, Neues und auch Anspruchsvolleres zu entdecken. Beides zusammen macht eine Reihe attraktiv und spannend. Unterstützung erfahren wir glücklicherweise auch durch Konzertrezensionen, die dem einen oder anderen Zuhörer sein positives Konzerterlebnis fachlich noch einmal bestätigen. Ob wir bei der Auswahl der Programme und Ensembles sowie der Motivierung des Publikums entsprechenden Erfolg haben, prüfen wir durch Feedback jeweils am Schluss der Saison, durch das wir Anregungen und Wünsche für die künftige Programmgestaltung erhalten. Dadurch können wir auch abschätzen, wie abwechslungsreich die Konzertreihe sein soll und welche Anreize wir außerhalb des klassischen Repertoires bieten können. Zum Beispiel wurden Konzerte mit einem Jazzgeiger oder -Flötisten sehr gut besucht, deren Ensembles aus dem Repertoire originelle Versionen entwickeln, die den traditionellen Konzertrepertoire an Virtuosität und Qualität nicht nachstehen.

 

Thema Nachwuchs: Ist es schwieriger geworden, junge Menschen für Kultur zu begeistern?

Michael: Die Altersstruktur unserer Konzertgemeinde fordert uns dazu heraus, unbedingt auch jüngere Generationen anzusprechen, ihr Interesse zu wecken und dauerhaft zu binden. Dazu setzten wir auf Vielfältigkeit der Instrumente, innovative Stilmittel, besonders aber auf die Auswahl von Ensembles, die beim Publikum besonders beliebt sind. So verpflichten wir überwiegend junge Preisträger und Stipendiaten der Bundesauswahl Konzerte Junger Künstler und der Gesellschaft zur Förderung der Westfälischen Kulturarbeit. Diese jungen Studienabsolventen kommunizieren am Anfang ihres Berufslebens musikalisch mit besonderer Empathie und sind auch besonders interessant für selbst musizierende Jugendliche. Damit interessierte Jugendliche den Weg in den Konzertsaal finden und klassische Kammermusik genießen können, brauchen sie auch bei uns ein positives Gemeinschaftserlebnis in Begleitung durch ihre Familien oder Freunde. Der Kultur-Freundeskreis fördert Jugendliche durch freien Konzerteintritt in Begleitung ihrer Familien. Dennoch ist unser jüngerer Nachwuchs – auch bei den Abonnenten – eher im mittleren Lebensalter zu finden.

 

Welche Anstrengungen unternehmen Sie diesbezüglich, was ist in Planung?

Michael: Wir werben in der Musikschule, laden Familien der Musikschüler bei den Aufführungen junger Talente ein und suchen Angebote geeigneter Kinderkonzerte zur Heranführung an klassische Musik. Dann pflegen wir den Kontakt auch zu den Ensembles nach dem Konzert bei einem gemütlichem Ausklang, wobei auch das Konzerterlebnis des Ensembles mit unserem Publikum, das Optimierungspotenzial für eine künftige Programmgestaltung und eine Einladung zu einem erneuten Konzert besprochen werden kann.

 

Nicht nur die klassischen Konzerte, sondern auch Opernfahrten, der Schnadgang in Verbindung mit anderen Partnern und weitere Beispiele bestimmen ihr Programmangebot. Ist es gerade die Vielfältigkeit, die wichtig ist?

Michael: Ein vielfältiges Programmangebot bietet Synergieeffekte und eine Chance für die Stärkung unserer Konzertgemeinde und der anderen Angebote. Gern fördert der Kultur-Freundeskreis die Vorträge der VHS. So erweitern wir das inhaltliche Spektrum um Bereiche der bildenden Kunst und führen so die unterschiedlichen Kompetenzen zusammen. Zum anderen haben die Volkshochschule und der Kultur-Freundeskreis gemeinsame institutionelle Wurzeln: das Telgter Volksbildungswerk. Für die Zukunft ist ein Ausbau unterschiedlicher Veranstaltungsangebote und -formen in Kooperation mit der Volkshochschule angedacht. Ein Beispiel ist die Wiederbelebung von Kunst-Tagesfahrten. Auch der Schnadgang ist auch als Veranstaltung selbst geschichtsträchtig. Der Schnadgang als jährliche landeskulturell interessante Wanderung gehört somit zur Tradition beim Heimatverein und Kultur-Freundeskreis gleichermaßen. Über das kammermusikalisches Programm des Kultur-Freundeskreises im Bürgerhaus mit kleineren Besetzungen hinaus bieten wir einmal im Jahr eine Fahrt zu einer großen Opern- oder Ballettaufführung. Gestaltet als „Rundum-Sorglos-Paket“ steht einem genussvollen Abend jeweils nichts im Wege. Hier sei bereits verraten, dass es nach romantischen Werken von Strauß, Verdi oder Wagner am 26. Januar 2020 in das Musiktheater im Revier zu Joseph Haydns wohl erfolgreichster Oper „Orlando Paladino“ und damit einem Ausflug in die frühe Wiener Klassik geht. Gern unterstützen wir außerdem die Arbeit des Freundeskreises Religio. Eine gewisse Schnittstelle können wir in dem Kreis interessierter Teilnehmer an unseren jeweiligen Kulturangeboten feststellen. Durch gegenseitige Werbung können wir die Planung unserer Angebote zusätzlich sichern.

 

Was planen Sie für die Zukunft, damit die klassische Kultur weiterhin einen festen Platz in Telgte hat?

Michael: Wir bemühen uns weiterhin, die Qualität unseres vielfältigen Konzertangebots bei äußerst attraktiven Eintrittspreisen – dies gilt insbesondere für die Abonnenten – aufrecht zu erhalten. Dies ist die Basis für unsere seit mehr als 35 Jahren erfolgreiche Kulturarbeit für Telgte. Zur Erschließung einer breiteren Besucherbasis für unsere Kammerkonzertreihe versuchen wir, gelegentlich für uns bezahlbare Orchesterkonzerte als Sonderkonzerte ins Bürgerhaus zu holen – wie das Neujahrskonzert 2018 und die Mikro-Philharmonie mit über 20 Orchestermusikern. Das Besondere an dieser Musizierform ist die kammermusikalische Transparenz und Intimität kleinerer Orchester im Bürgerhaus bezogen auf große Orchesterwerke. Wir hoffen, dass solche Hörabenteuer das Publikum auch an unsere klassische Kammerkonzerte heranführen können, auf die wir grundsätzlich durch die Raumkapazität unseres Bürgerhauses, die Anzahl unserer Konzertbesucher und unsere finanziellen Möglichkeiten begrenzt sind. Denn wegen der stetigen Altersfluktuation unserer Abonnenten brauchen wir zur Qualitätssicherung und zur angestrebten Qualitätssteigerung dringend neue Abonnenten.