Konzert-Rezension: Die Blechharmoniker

Sonntag, 02. Januar 2005

20.00 Uhr, Bürgerhaus Telgte

 

ein klassisch komisches Konzert

 

Stephan Dürschmid, Trompete

Roland Kämmerling, Trompete

Ruth Funke, Horn

Roland Pütz, Posaune

Martin Kaiser, Tuba


Westfälische Nachrichten vom 04.01.2005

von Axel Engels

Mehr als nur Blech im Musiktheater

Komisches Neujahrskonzert begeisterte Zuhörer

Telgte. Ein seriöses klassisches Neujahrskonzert war es sicherlich nicht, was die zahlreichen Besucher am Sonntagabend im Bürgerhaus erleben durften. Zwar gab es hochwertige Musik von einem exzellent agierendem Blechbläserquintett, und das Programmheft erinnerte in seinem Erscheinen an traditionelle Musikerlebnisse.

 

Aber dies waren wohl die einzigen Parallelen, bei den Blechharmonikern passierte darüber hinaus viel mehr. "Das Konzert" unter Leitung von Sir Hubert Fuhrdrengler gestaltete sich zu einem wohltuenden Chaos zwischen Rondeau und Cointreau, Bachs feinsinnigen Chorälen und Wagners Götterdämmerung.

 

Vor dieser Kölner Truppe war nichts sicher. Im Stile des "Running Orchestra", nur feinsinniger im Humor, zelebrierten sie einen fulminanten Abend mit perfekten Angriffen auf die Lachmuskulatur. Und die Charaktere erschienen in ihrer Persiflage weder überzogen noch unglaubhaft, schauspielerisches Können wurde verbunden mit exquisiter Musizierkunst.

 

Der überkorrekte 2. Trompeter Ernst Schultze erschien frühzeitig an seinem Arbeitsplatz. Mit dem Charme eines Stockfisches bereitete er sich bewaffnet mit Zollstock und übergroßer Brille auf seinen Auftritt vor. Mathieu Adam als 1. Trompeter versuchte noch einen Anflug von Klassizismus zu retten, fachte den Kampf der Musiker aber immer wieder an. An der Tuba agierte Herbert Klein, entgegen seines Namens ein Riese mit Pudelmütze, Schlappen und Hosenträgern. Er glaubt an das "Gute" im Menschen. Als Kind vom Lande ist er von der ganzen Situation intellektuell weit überfordert - zumindest im Horror-Szenario dieses Konzertes.

 

Karl Kamny ist nicht nur Posaunist erster Güte, auch wenn er anfangs Schwierigkeiten mit dem Zusammensetzen seines Instrumentes hat. Er tritt auch als Komponist und Dirigent mit geschwollener Brust auf, dessen post neo-moderne Musik irgendwo zwischen Katzengejammer und Klangorgie angesiedelt von seinen Kollegen zwar gespielt, aber dann mit zünftiger Marschmusik vertrieben wird.

 

Ganz Diva war die Hornistin Alexandra von Breitenstein, diese mondäne Witwe aus aristokratischen Kreisen, die ihre kleinen Marotten zwischen Kreuzworträtsel und heimlichem Alkoholkonsum auslebte. Peinliche Situationen meisterte sie mit Souveränität, schließlich besiegte sie sogar die "Königin der Nacht" mit schillernder Stimme.

 

Dass die geplanten Solisten gänzlich fehlten, störte niemanden. Wer hätte schließlich bei diesem Reigen von Verdi, Debussy, Bizet, Händel und Mozart mithalten können. Tränen der Verzweiflung gepaart mit atemberaubendem Duell der Trompeter um die Vormachtstellung, Dramatik und Sinnlichkeit in all ihrer Schönheit - dies alles und noch viel mehr lieferten die Blechharmoniker in einer fulminant mitreißenden Show.

 

Natürlich könnten sie auch als "normales" Quintett agieren, aber an diesem Abend stand allen der Sinn nach skurril Höherem. Viel Applaus gab es für diesen Bruch mit musikalischen Tabus, eingefleischte Musikkenner verzweifelten schier im Angesicht des Chaos.