Konzert-Rezension: Frank-Immo Zichner

Klavierabend

Sonntag, 14. November 2004

19.30 Uhr, Bürgerhaus Telgte

 

Frank-Immo Zichner - Klavier


Westfälische Nachrichten vom 07.12.2004

von Dr. Johannes Hasenkamp

Melancholie und Lebensfreude

Klavierkonzert mit Frank-Immo Zichner

Telgte. Frank-Immo Zichner, Lehrer für Klavier und Kammermusik an der Hochschule für Musik "Franz Liszt" in Weimar, bot am Sonntag einen anspruchsvollen Klavierabend im Bürgerhaus. Äußerlich zurückhaltend überzeugte er durch sein klares und intensives Spiel. Zusätzlich gab er in diesem Konzert des Kultur-Freundeskreises kurze Einführungen in die Werke: In die dritte Sonate aus Beethovens op. 10 in D-Dur von 1796/98, in Claude Debussys Charakterstück "L'Isle Joyeuse" von 1904 und in die großartigen "Variationen und Fuge über ein Thema von Händel" op. 24 von Brahms aus dem Jahr 1861.

 

Schon der erste Satz der Beethoven-Sonate ließ erkennen, dass Zichner das rein technisch-pianistische Können in fragloser Weise zur Verfügung steht. Er verstand es überzeugend, diese von vielen thematisch und dynamisch gegensätzlichen Abschnitten bestimmte Sonate zu gliedern. Da ist ja alles drin: daherdonnernde Oktavengänge und strahlend schöne leichte Läufe. Bestimmend ist allerdings im zweiten Satz, dem Largo mesto, auftretende und bis zum Schluß nicht vollständig bewältigte Melancholie, obwohl sie in diesem Satz von energischen Ausbrüchen durchbrochen wird. Der Satz läuft seltsam unbestimmt und eher hoffnungslos aus. Zichner vermied in seiner Interpretation jede Gefühligkeit, sondern setzte auf Klarheit und Intensität.

 

Der Kontrast zum Folgenden konnte kaum größer sein. Debussys "L'Isle Joyeuse - Insel der Fröhlichkeit"-, angeblich ausgelöst von Antoine Watteaus Gemälde der "Einschiffung nach Kithara" (in der griechischen Mythologie Insel des Glücks und der sinnlichen Erfüllung), zeigt den Komponisten schon angekommen, erfasst von wilder Freude und wie in einem alles überlagernden Taumel des Glücks. Da ist keine Melancholie, da ist Extase! Die vermittelte Zichner durch mitreißende Virtuosität, ohne jedoch die Kontrolle zu verlieren. Auch die schnellsten und virtuosesten Passagen erklangen beherrscht und zugleich energiegefüllt.

 

Brahms verlässt schon in der zweiten seiner "Variationen und Fuge über ein Thema von Händel" die Sphäre Händels und verarbeitet das gar nicht einmal so präzise Thema mit einer Fülle von Gedanken und vielerlei Techniken. Da rollen Triolen, da folgen einander kanonische Einsätze, da erklingen Jagd- und Hornsignale, da erscheint wiegender Siziliano-Rhythmus. Hier fand Zichner erneut Gelegenheit, Gegensätzliches herauszuarbeiten, reihte die 25 Variationen allerdings etwas atemlos aneinander. Dass das Thema oft kaum mehr zu erkennen war, liegt allerdings an der Fülle verarbeitender Techniken des Komponisten, die denn auch eindrucksvoller ist als das Thema, von dem er ausgeht. Auch hier wieder leuchtende Klarheit und unauffällige Intensität in der Wiedergabe.

 

Zwei kleine Zugaben von Robert Schumann ließen den Abend weniger virtuos, vielmehr besinnlich ausklingen.